11. Juli 2011

Altersarmut nach Scheidung

Markus Wanzeck beschrieb in der Berliner Zeitung und der Sächsischen Zeitung:

Leipzig - Es gibt ein Detail bei dieser Protestveranstaltung, das zeigt, wie es um die Schlagkraft der Protestierenden bestellt ist. Nicht einmal für ein Pult hat es gereicht. Als Ute Lauterbach vom „Verein der in der DDR geschiedenen Frauen“ auf dem Augustusplatz vor dem Leipziger Gewandhaus ihre Wutrede hält, fliegen schon nach wenigen Minuten die Manuskriptseiten durcheinander. 

 
 
Ein wenig Improvisation, dann findet sie, was sie sucht, „den Brief von Frau Merkel“. Sie liest ihn vor. Das Schreiben der Bundeskanzlerin endet mit einer Trostfloskel: „So sehr ich mir Ihres Anliegens bewusst bin, so sehr bedauere ich, Ihnen mitteilen zu müssen, dass ich Ihnen nicht weiter behilflich sein kann.“ 
 
Vielleicht hundert Rentnerinnen stehen im Halbkreis um Ute Lauterbach, sie pusten in ihre Trillerpfeifen.
 
Das Klischee von dem Volk mit Vollbeschäftigung stimmt nur bedingt. 
 
Auch in der DDR gab es Hausfrauen. Sie konnten während der Unterbrechung der Berufstätigkeit, etwa für Kindererziehung, „Marken kleben“, wie es hieß, mit einem geringen Monatsbeitrag ihre Rentenanwartschaften aufrechterhalten. Diese Regelung wurde bei der Angleichung an das bundesdeutsche Rentensystem kassiert. 
 
In Westdeutschland garantiert zudem seit 1977 der sogenannte Versorgungsausgleich im Scheidungsfall eine faire Anrechnung von Ehejahren auf die spätere Rente. In den neuen Ländern existiert eine solche Regelung erst seit dem 1. Januar 1992, dem Tag der rentenrechtlichen Wiedervereinigung. 
 
Wer davor geschieden wurde, hat Pech. Die Betroffenen – der Verein schätzt ihre Zahl auf mehrere Hunderttausend – finden sich nun oft als Bittstellerinnen auf dem Sozialamt wieder.
 
Die Frauen- und Rentenbeauftragten der Parteien wissen seit Jahren von dem Problem. Unter der rot-grünen Bundesregierung war eine interministerielle Arbeitsgruppe eingesetzt worden. Es gab hitzige Bundestagsdebatten zu dem Thema, zuletzt im Februar dieses Jahres. Im September 2010 hatte der Bundesrat die Regierung gebeten, „eine befriedigende Lösung für die im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 geschiedenen Ehegatten herbeizuführen“. Er verwies auf „erhebliche soziale Härten insbesondere bei älteren geschiedenen Frauen“.
 
Ein Vereinsmitglied, das regelmäßig zu den Protestaktionen kommt, ist Ursula Still. Die 72-Jährige wohnt nur eine Straßenbahnstation vom Augustusplatz entfernt. In ihrer Plattenbauwohnung sorgt das Schlagerradio für eine wohlige Atmosphäre, sie möchte durch den Kampf um ihre Rente nicht bitter werden. „Das wird mir nicht passieren“, sagt Ursula Still lächelnd. 
 
Ursula Still führt penibel Buch über ihre Ausgaben. In einen Block mit kariertem Papier trägt sie mit dem Kugelschreiber ihre monatlichen Ausgaben ein: Miete, Haftpflicht, Rundfunk, Sparkassen-Konto, Telekom, Malstunde. Abzüglich der laufenden Kosten bleiben ihr 154 Euro. „Alles eine Frage der Organisation“, sagt sie. „Sechs Hühnerbeine krieg ich für 3 Euro. Das geht doch.“ 
 
Scheidung nach 25 Ehejahren
 
1952 hatte sie ihre Lehre als Dreherin beim Volkseigenen Betrieb Schwermaschinenbau S.M. Kirow Leipzig begonnen, eine Ausbildung zur Technischen Zeichnerin folgte. Bis 1965 arbeitete Ursula Still in diesem Beruf. Dann traf sie ihren Mann, einen Lehrer für Geschichte und Sport. Nach der Hochzeit folgte sie ihm nach Bergen auf Rügen, wo er zu dieser Zeit eine Stelle hatte.
 
Dass sie ihr Berufsleben dem Eheleben unterordnete, wurde, finanziell gesehen, ihr größter Fehler, als sie sich später wieder scheiden ließ. Zwar zog das Ehepaar 1973 zurück nach Leipzig, und Ursula Still arbeitete wieder als Technische Zeichnerin. Aber die zweijährige Ausfallzeit, ein Jahr pro Kind, und vor allem ihre verkürzten Arbeitstage – „das haute rein“, sagt sie. 
 
„Ich habe immer nur bis 14 Uhr gearbeitet und mich dann um den Haushalt gekümmert, für die Familie gekocht, meinem Mann geholfen“. Als 1984 der Sohn an einem Tumor starb, geriet ihre Beziehung aus der Bahn. 1989 folgte, nach 25 Ehejahren, die Scheidung.
 
Der Ex-Mann lebt auf hohem Niveau
 
Von ihrem Ex-Mann bekommt die Rentnerin keine Unterstützung. „Der lebt auf hohem Niveau, kann sich Reisen leisten“, sagt sie. „Doch ohne meine Unterstützung hätte er all seine Rentenpunkte gar nicht sammeln können.“ Ursula Still empfindet das als ungerecht. Doch kaum jemand nehme davon Notiz. Man müsste viel lauter auf diese Ungerechtigkeit hinweisen, findet sie. 
 
Doppelte Diskriminierung
 
Vertrauen auf neue Wege und Hilfe von ganz oben – das sind nun tatsächlich die einzigen Hoffnungen der Frauen. Gemeinsam mit der Berliner Menschenrechtsexpertin Marion Böker wollen sie die Vereinten Nationen einschalten. „Seit zwanzig Jahren hat der deutsche Staat für die Frauen nicht mehr übrig als eine Rhetorik der Vertröstung“, sagt Marion Böker. 
 
Dabei nehme er offenen Auges eine doppelte Ungleichbehandlung in Kauf: „Die Frauen werden einmal gegenüber den Männern diskriminiert. Und dann, als Frauen aus dem Osten, gegenüber denen im Westen.“
 
UN-Delegierte würden die Chancen für ein Untersuchungsverfahren gegen Deutschland als gut einschätzen, sagt Ute Lauterbach. Im Oktober hat sie bereits persönlich in Genf vorgesprochen. Eine formale Rüge der Vereinten Nationen, hofft die Vereinsvorsitzende, würde ein Staat wie die Bundesrepublik Deutschland nicht auf sich sitzen lassen können. 
 
Doch ist die Ungerechtigkeit tatsächlich offensichtlich? Und wenn, wie konnte sie so lange fortbestehen? Arnold Vaatz, stellvertretender Bundestagsfraktionsvorsitzender von CDU/CSU und deren Aufbau-Ost-Beauftragter, sagt: „Es gibt keinen Lösungsweg, der verfassungsrechtlich gangbar ist.“ Jede Lösung schaffe neue Probleme. 
 
Man könne weder die geschiedenen Männer finanziell belangen – die damals gültigen Gesetze ließen sich nicht nachträglich zu deren Nachteil ändern. Noch sei es dem Staat möglich, für die Ex-Gatten finanziell einzuspringen und so die Unzulänglichkeiten des DDR-Systems auszugleichen. Dies wäre jenen nicht zu vermitteln, die in Westdeutschland vor 1977 geschieden wurden und deshalb bislang auch keinen Anspruch auf den Versorgungsausgleich haben. 
 
„Misslich ist das, darüber gibt es gar keinen Zweifel“, sagt Vaatz und fügt hinzu, dass sich die Politik an diesem Fall „die Zähne ausgebissen“ habe. Endgültige Gerechtigkeit lasse sich hier, leider, nicht schaffen.
 
„Man verschob daher manche Regelungen auf später – und vergaß sie dann ganz.“ Sie wirft CDU und FDP vor, auf eine „biologische Lösung“ des Problem zu warten: „Ich empfinde das als Schande für unsere Politik und die gesamte Demokratie.“ 
 
Annelies Pollter, die Leipziger Aktivistin, sieht die fehlende Durchschlagskraft ihrer Truppe auch als eine mentale Altlast der DDR: „Damals mussten wir uns nicht organisieren und kämpfen, alles war geregelt.“ Da seien sie erst spät aufgewacht. „Anfangs hatten die Politiker ein leichtes Spiel mit uns. Und jetzt, wo wir dazugelernt haben, sind wir langsam alt und kraftlos.“
 
Die innerdeutsche Rentenmauer besteht nun schon seit zwei Jahrzehnten. Niemand will sie errichtet haben. Jeder sagt, sie sei ein Schandfleck. Doch die, die dagegen anrennen, werden immer weniger. Und die wenigen werden müde. 
Jetzt helfen nur noch Wunder. Wunder, die es sonst nur im Schlager gibt. Ursula Still hat das Rentenproblem auf ihre Weise gelöst. Nie wolle sie darüber bitter werden, hatte sie vor einiger Zeit gesagt. Eher greife sie zum Strick.
 
Diese Gedanken sind verflogen. Sie ist wieder rundum glücklich. Am 1. April hat sie, inzwischen 73-jährig, noch einmal geheiratet. Ihr Mann ist drei Jahre älter als sie. Er war Betriebsleiter bei der Stadtkellerei Leipzig-Panitzsch und bekommt eine ordentliche Rente. Den karierten Block, auf dem sie stets mit ihren monatlichen Ausgaben kämpfte, hat sie ad acta gelegt.
 

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Ihre


Rita Kiriasis - Kluxen
(Landesvorsitzende)

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