24. Januar 2012

Altersdiskriminierung ist in Deutschland allgegenwärtig

 

Von Christina Neuhaus, Berlin

 

Im besten Alter. Immer“. Der Name für das Themenjahr klingt schon mal gut. Nur die Realität ist halt eine andere. Und die heißt meist: Zu jung für die Beförderung, zu alt für den Job: Gegen solche Benachteiligungen aufgrund des Lebensalters will die Antidiskriminierungsstelle des Bundes verstärkt vorgehen. Dazu solle das Grundgesetz geändert werden, fordert deren Leiterin Christine Lüders.

„Der Schutz vor Altersdiskriminierung gehört ins Grundgesetz“, meint Lüders und schlug eine Änderung des Artikels 3 vor. Dieser verbietet unter anderem die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, der Herkunft und der Religion. An dieser Stelle auch das Alter aufzuzählen, sei eine „naheliegende und sehr sinnvolle Ergänzung“, sagte Lüders. Sie verwies auf die Verfassungen der Schweiz, Finnlands und Schwedens, in denen bereits entsprechende Regelungen verankert seien. Es sei „bedauerlich“, dass es diese in Deutschland noch nicht gebe.

Lüders stellte eine Forsa-Umfrage vor, wonach sich rund jeder fünfte Bundesbürger wegen seines Alters schon einmal benachteiligt fühlte. Dabei beschwerten sich die Jüngeren häufiger als die Älteren: 17 Prozent der Rentner und 34 Prozent der Schüler und Studenten gaben an, aufgrund ihres Alters benachteiligt worden zu sein. Zudem haben sich mehr Ostdeutsche (27 Prozent) schon einmal wegen ihres Alters ungleich behandelt gefühlt als Westdeutsche (19 Prozent). Für die Studie befragte Forsa vom 30. November bis 5. Dezember 2011 insgesamt 1502 Bürger ab 18 Jahren.

Die Studie zeigt auch, dass sich Ostdeutsche stärker als Westdeutsche und junge Menschen stärker als ältere diskriminiert fühlen. „Immer noch werden Menschen benachteiligt, weil sie zu jung oder zu alt sind“, erklärte Lüders. Allerdings: nahmen fast ein Viertel der Befragten an, dass Benachteiligung aufgrund des Alters erlaubt sei.

Bei der Einschätzung der Berufschancen für Menschen ab 45 zeigten sich Frauen deutlich pessimistischer als Männer. Klare Unterschiede wurden auch beim Bildungsgrad deutlich: Je höher der Schulabschluss, desto optimistischer fiel die Einschätzung der Berufschancen durch die Befragten aus.

Es gebe viele Beispiele für Diskriminierung. Genau hinsehen müsse man etwa, wenn Mitarbeiter für ein „junges, dynamisches Team“ gesucht würden oder wenn Kassen Reha-Maßnahmen für ältere Menschen ablehnten, weil ihre Arbeitsfähigkeit nicht wiederhergestellt werden müsse. Auch Altersgrenzen in Gesetzen, Verordnungen und Tarifverträgen müssten geprüft werden. Die Vorstellung, man könne bestimmte Aufgaben nur bis zu einem gewissen Alter übernehmen, sei von der Wissenschaft seit Jahrzehnten widerlegt.

Der Kölner Jurist Felipe Temming erklärte, Probleme gebe es vor allem im Arbeitsleben. Das deutsche Arbeitsrecht sei „durchtränkt“ von altersdiskriminierenden Formulierungen, zudem urteilten die Gerichte in solchen Fällen nicht einheitlich. Temming forderte eine umfassende Rechtsreform und sprach sich ebenfalls dafür aus, das Grundgesetz zu ändern.

Konkrete Vorschläge, wie der Altersdiskriminierung entgegengewirkt werden kann, soll nun die Kommission unter Scherfs Vorsitz erarbeiten. Der SPD-Politiker erklärte, es sei ihm wichtig, den „Handlungskatalog“ vor Beginn des Bundestagswahlkampfes fertigzustellen. Die Kommission, in die unter anderem Gewerkschaften und Arbeitgeber sowie die großen Sozialverbände Vertreter entsenden sollen, werde keine „Allerweltsweisheiten“ vorlegen, sondern auch „Zuspitzungen riskieren“, kündigte der 73-Jährige an.

Neben Scherf gewann Lüders weitere Prominente, die das Themenjahr unterstützen sollen, darunter die Schauspielerin Liz Baffoe und den Sänger Peter Maffay. Sie sollten als „Botschafter“ vor allem bei einer für April geplanten Aktionswoche mitmachen, erklärte Lüders. Die Expertengruppe soll zum Jahresende Handlungsempfehlungen zum Abbau von Altersdiskriminierung vorlegen. Zudem kündigte Lüfders an, dass die Antidiskriminierungsstelle gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit Unternehmen auszeichnen werde, die vorbildlich mit Arbeitnehmern unterschiedlicher Altersgruppen umgehen. (dapd/dpa/SZ)

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